Eine Wanderung als Endzeiterfahrung
Wir waren im Wald wandern. Ohne Kuchen und Wein für die Großmutter, schließlich herrscht Kontaktverbot, dafür mit einer zünftigen Brotzeit für ein Picknick zu zweit. Und wir haben uns gefragt, wo der Rest der Welt einschließlich böser Wolf am Ostersonntag seine Langeweile auslebt.
Seit Wochen lese ich Corona-bedingt Geschichten von Langeweile und Lagerkoller sowie von Massenanstürmen auf Supermarkt und anderen Sightseeing-Attraktionen.
Aus der Perspektive von Menschen, die alleine oder in beengten Wohnsituationen leben, kann das sehr gut nachvollziehen. Für uns Balkon- oder Gartenbesitzer*innen gibts dagegen wirklich nichts zu jammern, wie ich finde. Denn mit Arbeiten und Kochen, Gärtnern und Gießen ist wahrlich genug zu tun. Bei mir jedenfalls liegen Haushalt und Hobbies brach, während ich – erschöpft von meinem Tagwerk – regelmäßig nach der Tagesschau wie von der Spindel gestochen einschlafe.
Doch auch ohne Garten gibts tatsächlich eine Möglichkeit, die Oster-Feiertage kontaktfrei zu genießen:
Eine Wanderung durch Wald und Feld! Verrückte Idee, ich weiß …
Aber warum nicht endlich mal wieder den Wald, die grüne Lunge unserer Welt, hautnah erleben?
Paare bereiten sich ein romantisches Picknick mit frisch geernteten Kräutern und Familien spielen Katniss auf der Jagd, denn im echten Draußen hält sich gerade niemand auf außer munter zwitschernden Vögeln, ideale Spotttölpel also, sowie ersten Hornissen, die evtl. als Jägerwespen durchgehen könnten. Willkommen in Distrikt 12! Kluge Kinder streuen allerdings eine Spur aus Brotkrumen, bevor sie in Zeiten geschlossener Schulen ihre überforderten Eltern in den Wald begleiten.
#OfftheFuckintheForest – Ab in den Wald!
Mein liebster Gatte und ich haben die Variante romantisches Picknick im Wald heute getestet.
Wir starteten morgens endzeitmäßig mit einer exklusiven und daher kontaktfreien Fahrt im Linienbus. Im Anschluss streiften wir „auf Mühlentour“ einsam durch den Odenwald. Wir erlebten einen ergrünenden Wald voll saftiger Kräuter und plätschernder Bäche. Erstmalig wäre trotz Zivilisation ein privates Stelldichein in freier Natur denkbar gewesen, hätten wir diesen Gedanken nur gewagt. Wir quälten uns unter einer intensiven Mittagssonne über freies Feld mit Blick auf die blühenden Streuobstwiesen der Gebrüder Löwenherz und die glücklichen Kühe aus der Landliebe-Werbung, kein böser Wolf in Sicht. Nur um uns dann über die menschenleeren Gärtchen und leergefegten Sträßchen in den verschlafenen Ortschaften zu wundern. Liebe Mitmenschen, seid Ihr nun alle zusammen auf illegalen Klopapier-Parties dem Lagerkoller erlegen?
4 Stunden, 7 Susi & Strolch-Fleischbällchen, 10 Mythen auf einen Streich, 11 Kilometer und 12 Mühlen später:
Kaum an der Bushaltestelle angekommen, tauchte wie gerufen der magische Knight Bus auf und brachte uns aus Distrikt 12 unkontaminiert nach Hause. Dem RMV sei aufrichtig gedankt, da ich ob der ungewohnten Anstrengung keinen weiteren Meter mehr auf meinen eigenen Beinen hätte zurücklegen können. Jeder Schritt mit dem Geliebten ein schmerzhafter Stich. Vermutlich schlafe ich heute bereits während der Tageschau ein.
So! Und wer mir nun die richtige Anzahl der in diesem Text im weiteren Sinne verwurschdelten Mythen, Märchen und Geschichten nennt, dem leite ich gerne all die sinnigen Rätsel weiter, die ich seit der Kontaktsperre erhalten und nicht beantwortet habe 🙂 .