In meinem unbändigen Hass auf alles, was an meinen geliebten Pflanzen nagt, saugt oder kackt, hätte ich beinahe das Undenkbare getan: einen Nützling mit der Schaufel erschlagen.
Beim großflächigen Entfernen der Spanischen Wegschnecke aus meinem Beet, im Moment des Herabsausens meines gefürchteten Schaufelarms, dachte ich in letzter Sekunde: „Stopp, erst mal Foto machen“. Und zwei Handyklicks später: „Erst mal googeln“. Das Ergebnis: Ich habe einen der seltenen und schützenswerten Tigerschnegel erspäht, das Weichtier des Jahres 2005.
Für Eindruck sorgt vor allem sein zirkusreifes Paarungsverhalten. Tigerschnegel 1 verfolgt Tigerschnegel 2 (beides Zwitter) auf einen Baum, wo sich beide – umeinander verzwirbelt – an einem gemeinsam produzierten Schleimfaden abseilen und vereinigen. Ebenfalls spektakulär ist der aktuell angesagte Animal-Print des Tigerschnegels, mit Kombinationen aus Leo-Look und Tigersteifen. Mein Interesse gilt jedoch vor allem seinem kanibalischen Verhalten gegenüber anderen Nacktschnecken sowie Schneckengelegen.
Denn mal ehrlich: meine bisherigen Anti-Schnecken-Maßnahmen waren nicht allzu erfolgreich.
- Kaffeeumrandung? Wenn Heerscharen Spanischer Wegschnecken über den Acker auf mein Beet drängen, geht das zu wie in schlechten Actionfilmen: die ersten werden von den Nachrückern einfach über die Kaffeekrümel hinweggeschoben und als Brücke benutzt. Und dann wird schön geschlemmt!
- Duftpflanzen? Sollen die wirklich die Schnecken verdrängen? Ich habe eher den Eindruck, diese Pflanzen dienen den feutigkeitsliebenden Weichtieren in der vorsommerlichen Dürreperiode als Versammlungsplatz für deren Acker-Vernichtungs-Strategie-Konferenzen. Sie versammeln sich nämlich direkt unter den Blümchen und zum Teil auch auf den Blättern. Ob Männertreu, Borretsch oder Ysop überall schleimige Corpi delicti! Allein das Portulakröschen scheint tatsächlich über einen integrierten Schneckenabstandshalter zu verfügen – oder liegts am benachbarten Knoblauch?
Deswegen sammle ich nun tatsächlich alle Wegschnecken händisch ab – unter den Trittbrettern, an den Blümchen, an den verwesenden Narzissenblättern – abends nach langen Messetagen im Nadelstreifenanzug und frühmorgens an Feiertagen im lila Nachthemd (brauche dringend Handschuhe, pfui Teufel). „Als Gärtner […] ist es empfehlenswert, eine Sache zu tun oder sie zu lassen. Dazwischen gibt es nichts“, schreibt der weise Jakob Augstein in Die Tage des Gärtners. Lieber Herr Augstein, ich fürchte, ich muss Sie noch ganz oft zitieren. Ich hoffe, Sie sehen mir das nach, weil ich dabei auch sehr, sehr gern Ihr Buch empfehle.
Den Tigerschnegel habe ich aber zurück unter sein Brettchen gesetzt. Mittlerweile habe ich sogar zwei weitere entdeckt. Ja, man kann die kleinen Racker sogar sehr gut unterscheiden. Ich freue mich, dass sie sich bei mir wohlfühlen und habe gerade auf www.tigerschnegel.de auch gelernt, dass ich die Nützlinge nicht anfassen soll, damit sie nicht gestresst werden, keine menschlichen Keime abbekommen und sich auch weiterhin zahlreich auf meinem Beet tummeln. Schneckenkorn kommt dann wohl nicht mehr in Frage …
Tigerschnegel kosten übrigens die stolze Summe von 19 Euro, man kann sie online bestellen … Wenn das mal kein innovativer Produkttipp ist 😉 Von all den erstaunlichen Infos zu dieser exzeptionellen Nacktschnecke wundert mich das am meisten.
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