Frühlingswetter bei 24 Grad und Grillgeruch von allen Seiten. Spätestens gestern wurde im sonnigen Süden die Gartensaison eröffnet.
Ab jetzt wird großflächig gebuddelt, gesät und die Beute aus dem Gartencenter eingepflanzt. Der wichtigste, vorbereitende Teil der Gartenarbeit spielt sich schon früher im Jahr ab: Pflanzungen planen, Erde vorbereiten, Samen auf der Fensterbank zum Keimen bringen. Der schönste Teil für mich jedoch, beginnt genau jetzt: den Pflanzen beim Wachsen zuschauen und dem liebsten Gatten beim ersten Rasenmähen. Zudem freue ich mich, meine eigenen Gartenerfahrungen weiterzugeben. Dankeschön, Nadine, für diese Möglichkeit.
Vom Saulus zum Paulus? Nichts gegen mich!
Der Ruf, ein Stück Nutzland mit Spaten und Hacke urbar zu machen und dort Obst und Gemüse anzubauen ereilte mich ganz und gar archetypisch – also gegen meinen Willen – mit dem Einzug in ein Reihenhaus im Auenland Deutschlands, mittig zwischen Main und Neckar, am Rand von Hobbingen, am Ende der Straße. Die Nachbar-Hobbits pachteten seit Jahren schon gemeinsam ein Stück Land, das an unsere Gärten grenzt und liebevoll gepflegt und beackert werden möchte. Dabei wollten sie mich gern einbinden. Ich jedoch, Großstadtgewächs mit starker Neigung zum Indoor-Aufenthalt, sah nur entgeistert auf das hüfthohe im Wind wabernde Beikräuter-Gräsermeer in meinem Vorgarten und auch direkt vor der Terrasse im „Ziergarten“. Quecke, wie ich heute weiß, ein dichtes Kabelgeflecht an Wurzeln, das sich nur mühsam aus der Erde ziehen lässt. Das Ziehen der „Strippen“ quetschte mir das Blut in den Fingern wie zu straff gewickelte Zahnseide. Heute, als erprobte Landpomeranze, grabe vor dem Jäten einfach um …
Jedenfalls wollte ich derlei Ungemach nicht in noch größerem Ausmaß am Bein haben. Schon gar nicht wollte ich Gesundes anbauen, was man dann ja auch irgendwie kulinarisch weiterverarbeiten und letztlich auch essen muss. Tja, wenn ich Marzipan im Zartbitterschokoladenmantel anbauen könnte … oder französische Fenchelsalami … Ich weigerte mich also zunächst, dem Ruf zu folgen und kaufte weiterhin Spinatpizza im Supermarkt.
Die Entscheidung zum eigenen Acker fiel dann mit der großen Hecke. Sowohl unser Nachbar als auch mein liebster Gatte wünschten einen Sichtschutz und schritten vereint zur Tat. So wandelte sich binnen eines Sommers mein idyllisch-mediterranes Kräuter- und Beeren-Hochbeet in ein schattiges Mordor, in dem Lavendel und Himbeeren nach kurzer Zeit Moos ansetzten. Dazu kam Ärger bei der Arbeit und nichts ist nach einem stressigen Arbeitstag entspannender, als einen Spaten mehrfach kräftig in den Boden zu rammen. Also rammte ich!
Juni 2014 gings los. Oft ackerte ich nach Feierabend. Bei meiner ersten Ganztages-Gartenaktivität holte ich mir einen gehörigen Sonnenstich und ganz doll Rücken. Seitdem gehe ich nur noch mit Kopftuch, Sonnencreme und Wasserflasche aufs Feld. Rücken hab ich immernoch. Bin aber nun ein deutlich dunklerer Hauttyp als in meinen ersten vierzig Lebensjahren.
Im Frühsommer schaffte ich es immerhin, eine kleine Fläche für den Anbau von Zucchini, Tomaten, Tagetes, Ringelblumen und Basilikum zu erobern. Diesen März habe ich in diesem Bereich Markerbsen ausgesät. Diese sind Mittelzehrer, also müsste das passen. Im Hochsommer letzten Jahres durften dann die Himbeeren auf eine neue Fläche umziehen, wo sie sich schon jetzt unverholen ausbreiten. Im Herbst kam Platz für die Erdbeeren dazu, und nun, pünktlich zum Frühlingserwachen, ist meine Beetfläche komplett.
Da ich nur für zwei Personen Bedarf habe und wir auch nur am Wochenende kochen, achte ich darauf, möglichst gleichmäßig ernten zu können und setze stark auf Mischkultur. Geradezu besessen bin ich davon. Statt einem eigenen Kräuterbeet, pflanze ich die wertvollen kleinen Gartenhelferlein lieber mitten ins Küchengartenbeet, damit sie dort biologische Wunder gegen Schädlinge wirken können. Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen – alles durcheinander. Ärgerlich finde ich daher, dass Samentütchen immer für den Massenanbau konzipiert scheinen. Wozu benötige ich fünfzig Erbsenpflänzchen, wenn ich noch nicht mal eine Tiefkühltruhe habe, um die Ernte für kommende Generationen zu horten?
Zuspruch bei ersten Erfolgen und moralische Unterstützung bei Fehlschlägen bekomme ich von meiner Nachbarin Jutta. Sie ist mein Gandalf, da sie mittlerweile recht erfahren ist in Sachen Gartenpraxis. Ihr Ackerland ist vorbildlich gegliedert und perfekt in Schuss. Alles wächst und gedeiht. Bereits im Winter hat Jutta ihr Wohnzimmer zum Gewächshaus umfunktioniert und eigene Samen aus den Vorjahren keimen lassen. Von ihren Chili-Setzlingen wohnen nun auch welche in meinem Wohnzimmer und warten auf eine frostfreie Auspflanzung ab Mitte bis Ende Mai. Der Rest kommt via Internet.
Fürs erste begnüge ich mich, ein paar Kräuter ins Beet zu setzen:
- Borretsch dient als Bienenweide und hilft Kohlarten gegen Schädlinge.
- Lavendel wehrt Läuse ab und angeblich auch Ameisen und ist daher super für Rosen. Wobei ich gestehen muss: bei mir hilft nichts aber auch gar nichts gegen Ameisen. Weder billiges Backpulver noch kostspieliger Ultraschall.
- Thymian hilft Möhren, Kohl, Stauden und Rosen, also auch Himbeeren. Ich nutze ihn daher gern als Bodendecker.
Ernten kann ich derzeit Feldsalat. Der hat sich selbst ausgesät und wächst überall zwischen den Beeren. Genau in der richtigen Menge und sehr lecker.
Das wichtigste jedoch: Ich kann endlich wieder eine ganze Gartensaison lang hacken und graben!
Liebe Inken,
danke für Deinen, wie erwartet, entzückenden Beitrag und die tollen Bilder. Endlich kehrt fundiertes Gartenwissen in diesen Blog ein. Von mir gibt es dieses Jahr wohl eher „learning by doing“.
Windige Grüße von der Küste,
Nadine